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Muss der Provisionsvorschuss nach Beendigung des Handelsvertretervertrages zurückgezahlt werden?

Die Ausgangslage ist die, dass derzeit auffällig viele Versicherungsvertreter / Handelsvertreter ihr Unternehmen (meistens ein Strukturvertrieb) verlassen.

Mindestens genauso viele spielen zwar mit dem Gedanken sich (etwa als freier Versicherungsmakler) neu aufzubauen, fürchten aber, dass Sie von ihrem Unternehmen nach der Kündigung in Anspruch genommen werden.

 

Nicht selten dürfte vor allem die Angst bestehen , erhebliche Provisionsvorschüsse "auf einen Schlag" zurückzahlen zu müssen!

Das diese Angst - in vielen Fällen- unbegründet ist, soll dieser Beitrag zeigen. 

Schon das Gesetz schützt den Handelsvertreter

Schon der Gesetzgeber hat mit der Normierung des § 89a Abs. 1 S.2 HGB klargestellt:

"(1) Das Vertragsverhältnis kann von jedem Teil aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.

(2) Wird die Kündigung durch ein Verhalten veranlaßt, das der andere Teil zu vertreten hat, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet."

Damit ist schon einmal klar, dass alle Maßnahmen des Unternehmens, die dazu geeignet sind, unmittelbar das Kündigungsrecht des Handelsvertreters zu beschränken, unzulässig sind.
Was das im Einzelfall bedeutet ist -wie so oft im deutschen Rechtssystem- auslegungssache.
Jedoch hatte sich zum Thema "Rückzahlung von Provisionsvorschüssen" kürzlich der Bundesgerichtshof zu Worte gemeldet und eine wegweisende Entscheidung verkündet(vgl. BGH Urtl. vom 19.01.2023 VII ZR 787/21).

Die Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit der Rückzahlung von Provisionsvorschüssen

Der BGH hat zur Stärkung des Vertreters entschieden,  dass eine Klausel, die zum Stichtag der Beendigung des Handelsvertretervertrages vorsieht, dass der Handelsvertreter (Versicherungsvertreter) dazu verpflichtet ist, den gesamten Provisionsvorschuss (Darlehn) nebst vereinbarter Zinsen auf einmal zurückzuzahlen, unzulässig ist.

 

Denn hierin sieht er eine unmittelbare oder mittelbare Beeinträchtigung des Handelsvertreters. Der BGH betont, dass seiner Ansicht nach der § 89a HGB eine Schutznorm des wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters ist und die Wirksamkeit etwaiger Rückzahlungsklauseln sich an diesem zu messen hätten.

 

Ob eine Klausel -im konkreten Fall- unwirksam ist, hängt vor allem davon ab, ob sie dazu geeignet ist, den Vertreter von einer Kündigung abzuhalten, weil er befürchten muss, unmittelbar nach der Beendigung, mit einer erheblichen Forderung konfrontiert zu werden. Die nicht selten zur wirtschaftlichen Existenzbedrohung führen könnte.

 

Dabei komme es vor allem darauf an,

  • wie hoch der Provisionsvorschuss ist;
  • wie die Rückzahlung grundsätzlich vereinbart ist;
  • ob die gesamte Summe sofort fällig werden soll;

Der BGH betont weiter, dass stets eine Einzelfallprüfung der Gesamtumstände vorzunehmen sei- aber auch, dass wenn die Klausel unwirksam ist- kein anderer Rechtsgrund (zB. ungerechtfertigte Bereicherung) ins Feld geführt werden könne. Denn dies würde der Wertung des § 89a HGB entgegenstehen.

Fazit

Alle Handelsvertreter / Versicherungsvertreter / Finanzberater die mit dem Gedanken spielen, den Handelsvertretervertrag zu beenden, sollten ihre Verträge hinsichtlich etwaiger Rückforderungsklauseln prüfen (besser noch prüfen lassen). Ist dort verankert, dass eine sofortige Rückzahlung der Gesamtsumme vereinbart ist und ist diese Summe erheblich (im Fall waren es 55.000 €), spricht viel dafür, dass diese Klausel unwirksam ist und eine durchsetzungsfähige Rückforderung nicht zu befürchten steht.

 

Da bei der Beendigung nicht nur die Frage im Raum steht, ob Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen sind, sondern auch viele andere Dinge beachtet werden müssen, empfiehlt es sich, den Ausstieg mit einem erfahrenen und spezialisierten Anwalt strategisch anzugehen.

 

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