In der Versicherungsbranche und Finanzdienstleistungsbranche hat sich flächenddeckend die Strategie etabliert, bei einem Wechsel vom Unternehmen (Strukturvertrieb) oder Versicherer den vermittelten Kunden - die ebenfalls wechseln wollen- durch eine vorformulierte Kündigung zu helfen.
Nicht selten wird hierbei gegenüber dem ehemaligen Vertrieb die Einwilligung jeglicher Kontaktaufnahmen widerrufen und ein ausdrückliches Kontaktverbot für etwaige Rückwerbeversuche ausgesprochen.
Das aber kann sowohl wettbewerbsrechtlich als auch vertriebsrechtlich "problematisch sein"
Wir klären die Grenzen und Möglichkeiten.
Darf der Versicherungsvertreter dem Kunden bei der Kündigung des Versicherungsvertrages helfen?
Auch wenn der Versicherungsnehmer grundsätzlich Kunde des Versicherers ist, fühlt er sich oft mit dem Versicherungsvertreter und nicht mit dem Versicherer verbunden. Der Versicherer ist eher eine nicht greifbare und nebulöse Gestalt die stetig die Prämien einfordert.
Zum Versicherungsvertreter hingegen bestehen oft auch persönliche Beziehungen. Da wundert es nicht, dass sich ein Kunde - in der Hoffnung weiter durch den Vertreter beraten und betreut zu werden- ebenfalls entschließt, dass Unternehmen zu wechseln.
Auch für diesen Wechsel greift der Kunde nur zu gerne auf die professionelle Hilfe des vertrauten Versicherungsvertreters zurück und bittet um die Erstellung oder Durchführung einer entsprechenden Kündigung.
Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Dem Versicherungsvertreter ist es daher grundsätzlich nicht verwehrt, Kunden des Versicherers dadurch Kündigungshilfe zu leisten, dass er Ihnen Kündigungsschreiben vorformulierte und vorlegte. Deshalb ist die Leistung von Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung grundsätzlich wettbewerbskonform (vgl. BGH GRUR 2005, 603 in juris Rn. 14 )
Darf der Versicherungsvertreter für den Kunden ein Kontaktverbot aussprechen?
Während die Unterstützung einer Kündigung grundsätzlich unproblematisch ist (Vorsicht bei nachvertraglichen Wettbewerbsregelungen und / oder der Benutzung von Geschäftsgeheimnissen), ist es nach zahlreichen Gerichtsentscheidungen höchst risikobehaftet, wenn der Vertreter einerseits die Einwilligung der Kontaktaufnahme widerruft und anderseits ein ausdrückliches Kontaktverbot ausspricht. Typische Formulierungen sind:
„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Einzugsermächtigungen und Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Ad Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“
Denn der Einsatz von unlauteren Mitteln führt zur Unlauterkeit einer Abwehrmaßnahme und ist damit wettbewerbswidrig.
Gerade davon ist auszugehen, wenn sich der Versicherungsvertreter zur Abwerbung sowie Erhaltung der früheren Kunden des Versicherers unlauterer Mittel bedient hat (vgl.§ 4 Nr. 4 UWG) .
Der Einsatz vorbereiteter Kündigungserklärungen mit generellen Kontaktaufnahmeverbot stellt nach Ansicht zahlreicher Oberlandesgerichte (vgl. exemplarisch OLG Oldenburg 6 U 27 /18) eine gezielte Behinderung des Versicherers / Strukturvertriebs auf dem Versicherungsmarkt dar.
Damit behindert der Vertreter gezielt die Möglichkeit des Versicherers ehemalige Kunden anzusprechen und diese zu einer Aufnahme der Vertragsbeziehung zu veranlassen. Diese Möglichkeit, die Kunden anderer Wettbewerber zu kontaktieren und abzuwerben zu versuchen, ist aber gerade Wesen des Wettbewerbs und begründet in umgekehrter Richtung auch das Recht der Versicherungsvertreter Kunden der Versicherer abzuwerben und ihnen vorgefertigte Kündigungsschreiben vorzulegen.
Fazit
Sofern kein vertragliches Wettbewerbsverbot besteht, bleibt es Versicherungsvertretern unbenommen, die von ihnen ehemals vermittelten Kunden abzuwerben. In diesem Prozess ist es auch unproblematisch, eine Kündigung für den Kunden zu entwerfen oder mit entsprechender Vollmacht auszusprechen.
Von dem Ausspruch eines Kontaktverbotes ist jedoch dringend abzuraten.
Ein solches dürfte - bundesweit- wettbewerbswidrig sein mit der Konsequenz, dass ein derartiges Verhalten abgemahnt werden kann.
Zudem dürfte der Vertreter in der Folge keine Möglichkeit mehr haben, sich gegen die zu erwartende Provisionsrückforderung (sofern der Versicherungsvertrag noch in der Haftung sein sollte) zur Wehr zu setzen.
Wenn Sie als Versicherungsvertreter den Ausstieg aus dem Handelsvertreterverhältnis beabsichtigen, haben Sie einiges zu beachten. Eine Kündigung sollte nicht leichtherzig ausgesprochen werden. Insbesondere, weil man hierdurch den Ausgleichsanspruch verlieren könnte. Viele Vertreter wissen nicht , dass sie ggf. berechtigt sind, dass Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen.
Auch zeigt die Erfahrung, dass ein durch einen versierten Rechtsanwalt begleitete Aufhebungsvereinbarung deutlich günstiger ist.
Aus diesem und vielen anderen Gründen empfiehlt es sich daher, so früh wie möglich den Ausstieg mit einen spezialisierten Rechtsanwalt strategisch zu planen.
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